Du betrachtest gerade Shiva und die lebenden Fossilien
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Baumfarne kenne ich aus irischen und englischen Gärten, und natürlich aus diversen tropischen Gewächshäusern, wo sie mit ihrer Grösse und exotischen Erscheinungsform stets Eindruck machen. Dabei verdienen sie tatsächlich grössten Respekt. Denn die Baumfarne (Dicksonia) gehören zu den ältesten noch lebenden Pflanzen auf unserem Planeten – sie besiedeln die Erde seit 400 Millionen Jahren! Darum werden sie auch zu den lebenden Fossilien gezählt.
So oft ich Baumfarne schon in verschiedensten Kontexten bestaunen durfte, derart imposant wie in Bali habe ich sie noch nirgends erlebt. Besonders im tropischen Urwald am Fusse des heiligen Vulkanberges Mount Agun wuchern sie in nie gesehener Wucht: manche viele Meter hoch, und mit dermassen ausladenden Wedeldächern, dass man sie fast als Zelte bewohnen könnte. Und es gibt auf dem Dschungelpfad vom Krater hinunter unendlich viele davon! Baumfarne in allen Grössen, soweit das Auge reicht. Ihre Stämme feucht wie Schwämme. Von den riesigen Wedeln tropfte der Morgentau herab, als würde es regnen. Dieser morgendliche Abstieg vom heiligen Vulkanberg durch den Baumfarnwald wird mir noch eindrücklicher in Erinnerung bleiben als der legendäre Sonnenaufgang, dessentwegen die Besteigung des Mount Aguns stets mitten in der Nacht erfolgt. Und natürlich wegen dem Wolkentheater: Im Morgengrauen ist die Sicht auf dem Gipfel glasklar, man blickt weitherum über das Nebelmeer – und tief hinab in den Kraterschlund. Sobald die Sonne scheint, steigen die Wolken hinauf, und ab zehn Uhr morgens, wenn es bereits wieder schwül und heiss ist, hüllt eine dicke Wolke den Mount Agun ein. Mit der Abenddämmerung sinkt die Feuchtigkeit wieder, und nährt die Baumfarne mit dem kostbaren Nass, so dass die sagenumwobenen pflanzlichen Fossilien am Fusse des heiligsten aller Berge – sozusagen in der Obhut des grossen Zerstörers und Schöpfers Shiva – hoffentlich noch ein langes und gesundes Leben haben mögen!